Letzte Woche begab ich mich wieder einmal in den Großstadtdschungel Tokyos. Mit dem Schnellbus ging es früh morgens von Niigata in die Hauptstadt Japans (fünf Stunden Fahrt). Dort sollte ich abenteuerliche drei Tage erleben, die geprägt waren von skurrilen Situationen im Kapselhotel, knuddeligen Tieren im Zoo und japanischen Crowdsurfern auf dem Yellowcard-Konzert.
Als ich nachmittags in Ikebukuro, einem Stadtteil Tokyos, angekommen war, begab ich mich sogleich nach Shinjuku, um dort mal mein Kapselhotel auszuchecken. In Deutschland stellt man sich das ja sehr kurios vor, was es auch wirklich ist. Gleich zu Beginn machte ich den ersten Fehler, da man nicht mit Schuhen zur Rezeption gehen darf, sondern diese zuerst in einem Schließfach verstauen und anschließend auf Socken zur Anmeldung gehen muss. Nachdem diese relativ reibungslos ablief, begutachtete ich auch sogleich den „Hundezwinger“ (Zitat von Basti). Natürlich habe ich als Gaijin auch noch eine Bedienungsanleitung für das Kapselhotel mitbekommen. Also, was stand da so drin? Man soll in der Kapsel nicht rauchen, nicht laut sein, nicht mit Straßenkleidung in die Kapsel gehen... gut, dass ich zu eben diesem Zeitpunkt in voller Montur in meiner Unterkunft lag. So stieg ich gleich wieder aus der Kapsel, lautlos schleichend, mit meiner Umwelt geradezu verschmelzend, sodass es kein Japaner mitbekommen haben dürfte (aber die auf den Gängen angebrachten Sicherheitskameras haben mich bestimmt erfasst). Da ich eh erstmal noch ein wenig die Stadt unsicher machen wollte, verließ ich das Hotel auch vorerst wieder.
So besuchte ich in Shinjuku noch eine Gaming Hall, wo es ein sehr unterhaltsames „Captain Hook Zombie Shooter“-Spiel gab. Ich saß dabei in einem Automaten, der wie ein Schiff gebaut war, hatte ein Steuerrad links neben und eine Bordkanone direkt vor mir. Dazu wurde bei Treffern der gesamte Automat durchgeschüttelt, was für ein Spaß! Es stand sogar ein Korb bereit, in dem ein Piratenhut und ein Schwert darauf warteten, von mir zur endgültigen Verschmelzung mit dem Spiel benutzt zu werden. Doch darauf verzichtete ich dann doch. ;-) Nach diesem kurzweiligen Zeitvertreib begab ich mich dann nach Roppongi Hills, wo ich mir im Kino „The Social Network“ anschaute (ganz netter Film). Wenn man in Japan übrigens normales Popcorn kauft, dann bekommt man gesalzenes – muss man auch erstmal wissen.
Nun begann dann der wirklich hochgradig abgefahrene Teil meines ersten Tages in Tokyo, denn als ich in das Hotel zurückkehrte (diesmal natürlich rechtzeitig die Schuhe ausziehend), reihte ich mich an der Rezeption in eine lange Schlange müde aussehender Japaner ein, wahrscheinlich größtenteils Geschäftsmänner, die zumindest dem äußeren Anschein dem „Karoshi“ (Stresstod) näher waren, als ihnen lieb sein konnte. Überhaupt war ich, soweit ich das beurteilen konnte, der einzige Ausländer in dem ganzen Hotel. Nachdem ich mich also diesmal nicht mit Straßenkleidung zur Kapsel begab, sondern mich in einen Bademantel hüllte und meine Klamotten in einem Spind eingeschlossen hatte, entschied ich mich dazu, ein entspannendes Bad zu nehmen. Deshalb ging ich also zwei Stockwerke höher, um mich dort etwas zu relaxen. Den japanischen Badegesetzen folgend muss man sich zuerst ordentlich abduschen, einseifen und nochmal abduschen, bevor man sich in das warme Wasserbecken setzen darf. Gesagt getan.
Anschließend erforschte ich den weiteren „Wellness-Bereich“, wo es noch Massage-Gelegenheiten (allerdings kostenpflichtig) und auch verschiedene Sauna-Räume geben sollte. Als ich so wie die anderen Japaner wie Gott mich schuf durch die Räumlichkeiten schlenderte, war ich doch einigermaßen verdutzt, als ich urplötzlich vor zwei Japanerinnen stand, die dort ganz offensichtlich als Maseurinnen arbeiteten. Da ich glücklicher Weise mit Nacktheit keine großen Probleme habe, war mir das auch nicht weiter unangenehm... und den Japanerinnen war es das ganz offenbar auch nicht, ihren lüsternen Blicken nach zu urteilen! Ja, so sind sie, die Japanerinnen: nach außen schüchtern, aber insgeheim haben sie es doch faustdick hinter den Ohren! ;-)
Nun begab ich mich also in die Sauna, die wirklich schön mollig warm war. Mit der Zeit wurde die dann auch immer voller. Es war wirklich sehr abgefahren: da saß ich also mit zehn japanischen Geschäftsmännern in der Sauna. Ein paar Minuten später gab es dann sogar noch einen frischen Aufguss mit ätherischen Ölen, einmalig! Spätestens da hatten sich die 30 Euro für die Übernachtung schon gelohnt! Nach dem Ausschwitzen begab ich mich nochmal in einen Whirlpool, der unter freiem Himmel stand, ehe ich mich nochmal abduschte und in meine Kapsel entschwand.
Auch wenn die Bilder anderes vermitteln, so empfand ich es als gar nicht so eng, höchstens als etwas zu kurz. Was ich allerdings weniger toll fand, war die Tatsache, dass man die Kapsel nur durch ein Rollo 'verschließt', denn dies schützt zwar vor Blicken, allerdings nicht vor Geräuschen. Und so hörte ich dann auch jedes Schnarchen oder Rascheln, jedes Kommen und Gehen, was dazu führte, dass ich alle halbe Stunde wieder hochschreckte. Aber das ist natürlich Jammern auf hohem Niveau, denn im Gegensatz zu den schwer schuftenden Karoshi-Japanern stand mir am nächsten Tag schließlich pures Entertainment bevor: der Besuch des größten und ältesten Zoos in Japan (zusammen mit Chihiro, die bereits an der Uni Bielefeld studierte) und das Konzert von Yellowcard am Abend. Und ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage, dass es ein unfassbar grandioser Tag werden sollte!
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