In diesem Bereich wird es immer wieder literarische Kurzbeiträge und kritische Gedanken meinerseits geben, die nicht unbedingt was mit Japan zu tun haben werden. Viele von diesen Texten werden parallel auch auf Jupps und meiner Coop-Seite "Tandemworks" erscheinen (mehr dazu unter "Links").

Do

02

Sep

2010

Supernova

Da war er nun also, nur einige wenige Meter entfernt, zum Greifen nah. Doch er traute sich nicht mit seiner Hand den Gral zu umschließen. Er, der die tiefsten Täler durchschritten, die höchsten Berge überwunden, die größten Ozeane überquert hatte, ja er verblieb in einer sehnsüchtigen Beobachtung, die schon halb das Heiligtum berührende Hand sinken lassend. Er fuhr mit seiner rechten Hand nachdenklich durch seinen dichten, dunklen Vollbart, in welchem an einigen Stellen bereits graue Akzente zu erkennen waren und die lange Reise, über Monate und Jahre, dokumentierten.

 

Nach einer schier ewiglichen Suche in Bibliotheken, Museen, Universitäten und weiteren kulturellen Institutionen fand er den Standort des Grals heraus. Er erinnerte sich genau an diesen einen trüben Wintertag, der die ohnehin vereisten Gesichter der Menschen weiter gefrieren ließ. Er hatte die gesamte Woche mit der Rekonstruktion einer alten Karte, sie stammte aus der Antike -  der Zeit der Cäsaren, der Tribunen, der großen Philosophen – verbracht. Ein Spaziergang durch den pulverfeinen Schnee, Blicke in die von dem reinen Weiß bedeckten Zweige der Bäume, sein weit in die Ferne schweifendes und dennoch zielloses Schauen über die das Sonnenlicht reflektierende Eisfläche eines gefrorenen Sees brachte die Erleuchtung.

 

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Do

02

Sep

2010

Spiegelkabinett

Schnell renne ich den Gang hinunter, reiße die Tür zu den Toiletten auf, sprinte an den Pissoirs vorbei und stürze in eine der Kabinen. Schnell stellt sich Erleichterung ein. Plötzlich höre ich, wie jemand anderes die sanitären Anlagen betritt. Die Schritte klingen auf dem weißen Kachelboden wie Hammerschläge, die immer lauter werden, weil sie immer näher kommen. Nun das Geräusch von fließendem Wasser und ein leichtes Husten. Der Mann atmet schwer. Mir kommt die ganze Szenerie seltsam vor und ich will diesem Fremden nicht begegnen. Warum weiß ich nicht, es ist so ein Gefühl.

 

„Ich verstehe das nicht!“, die Ruhe wird von einem Schrei des Mannes zerrissen und ich zucke zusammen. Der Unbekannte fängt ein Gespräch an. Mit wem? Sich selbst, wie mir einige Sekunden später klar wird. Ich beschließe mich ruhig zu verhalten. „Bloß keinen Ärger machen“, denke ich mir und ziehe meine Hose so langsam wie möglich hoch. Mir gelingt es meinen Gürtel lautlos zu schließen. Aus dem Fremden vor den Waschbecken kommt nunmehr nur ein Wispern, sodass kaum etwas zu vernehmen ist. Deshalb mache ich ein paar vorsichtige Schritte, um näher an der Tür horchen zu können:

 

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